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Tekst 4: Kügelgen, Briefe an meinen Bruder


Ballenstadt, 25.4.1864
Am 18. April gegen Abend langte die Depesche von der am Mittag erfolgten Erstürmung der zehn berühmt gewordenen Düppeler Schanzen und des Brückenkopfes an. Das war eine Freude! Die Preussen haben ihren alten Waffenruhm neu aufgefrischt; es hat sich plötzlich gezeigt, dass ein Staat im Lande der Professoren, Philosophen und Träumer die bestorganisierte Armee der Welt hat. Napoleon III. hat Respekt bekommen, die Armeeorganisation ist gerettet, die Nation jubelt und Bismarck wird immer populärer. Gott gebe weiter seinen Segen!

Potsdam, 10.7.1864
() Dass Du die Nachricht von der Erstürmung der Düppeler Schanzen in Deinem abgelegenen Kloster schon am Abend desselben Tages haben konntest, ist mir unbegreiflich. Das Verhalten der vom Landtag bisher so mit Kot beworfenen Armee im dänischen Kriege ist wahrhaftig herzerhebend. Nach allen Privatnachrichten tat es einer dem anderen an Hingebung und Aufopferung zuvor. Die Offiziere waren im Gefecht immer voran und doch nie im Stich gelassen von ihren Leuten, daher die Preussen, auch wo sie sich in der Minderzahl befanden und nichts als Kolben und Bajonette brauchen konnten, doch immer siegreich waren. Es werden wunderbaren Taten berichtet. Ein Pionier Klinke rief, als eine dem Kartätchenfeuer ausgesetzte Sturmkolonne plötzlich auf mit starkem Draht durchflochtene Palisaden stiess: Herr Hauptmann, ich opfere mich! Damit hatte er auch schon seinen Pulversack an die Palisade gelegt, hatte hineingeschossen und sich und das Hindernis in die Luft gesprengt im selben Augenblick waren die Stürmende auf der Schanze.


So tapfer und entschlossen die Leute in den Tod gingen, so freundlich haben sie sich gegen die gefangenen Dänen gezeigt, mit denen sie alles teilten; man hat gesehen, dass unsere Soldaten gefallene Dänen, die sie selbst niedergestreckt hatten, sich aufluden und auf die Verbandplätze schleppten.

Ballenstadt, 29.4.1866
Der Krieg droht immer ernstlicher. Österreichs formidable Rüstungen bei fortwährende Beteuerung, dass es nicht rüste und ihm nichts ferner liege, als eine Forderung an Preussen durch die ultima ratio zu unterstützen, sind bedenklich. Wenn Preussen auch nicht gegenrüstet, sondern nur bei nötigsten Massregeln zum Schutze der Grenzen gegen einen etwaigen Handstrech trifft, so muss doch der entgegengesetzte Entschluss, dass Österreich Preussen entschlossen ist, Holstein festzuhalten, einmal zur Tat ausschlagen. Preussen muss aber Holstein besitzen, nicht allein im Interesse von Holstein selbst, sondern im Interesse von ganz Deutschland, das jetzt endlich eine Flotte haben will. Österreich würde dadurch nichts verlieren. Ein kluges Österreich würde Preussen längst Parität in Deutschland zugestanden und sich aufs engste diesem Staate angeschlossen haben; dann hätte es die Lombardei behalten, und der deutsche Bund würde nicht zerfallen sein. Nur ganz gemeiner Neid hindert es daran. Bis auf Bismarck hat Preussen immer nachgegeben, jetzt darf es das nicht länger. Eine Suprematie Österreichs ist Preussens Verderben. Was nun werden wird, wer kann es wissen! Ich aber glaube, dass wir, wenn Bismarck leben bleibt, ein einiges Deutschland bekommen werden unter Preussens Ägide. 

Wilhelm von Kügelgen, Lebenserinnerungen des alten Mannes 1840-1867, 1925. 

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