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Tekst 7: Land, Die Kunst und das Volk


Man hat sich so sehr gewöhnt, die Kunst als ein ausschließliches Gemeingut der Gebildeten zu betrachten, daß man zu lächeln  pflegt  bei  dem  Gedanken,   sie  in  das  Volk  zu tragen. 
Soll ein Maurergeselle ein Verständnis für Michel Angelo haben? Wollt ihr eine Nähterin vor die Sixtinische Madonna stellen?
Ja, das wollen wir.
Mit jener Mythe der Griechen glauben wir an die Macht des Gesanges, die wilde Tiere zähmt; und wir haben es oft erfahren, wie gerade rohe, das heißt, von künstlerischen Eindrücken wenig bearbeitete Gemüter der künstlerischen Einwirkung empfänglich sind. Gerade der Naturmensch, dessen Affekte gewöhnt sind, sich frei auszutoben, gerade er, der rücksichtslos seinen Trieben zu folgen pflegt und von der Blasse
Ja, wie denn? So! Ich dächte mir z. B. Keller's Säle in der Andreasstraße. Dort, im Herzen des Arbeiterviertels, ließe ich in der Woche abends ein gutes Orchester, das philharmonische etwa, volkstümliche Musik machen. Volkstümlich mit leiser Steigerung zum Höheren und Höchsten. Die Tore des Hauses weit geöffnet. Keine Kasse. Ich - der Staat, will einmal eine vernünftige Ausgabe machen, und was ich hier opfere, ich glaube, an Krankenhäusern und Gefängnisbauten werd  ich es sparen! Schlimmsten Falles will ich mich entschließen und will das Nötige von dem für die Kultivierung Afrikas Bestimmten abziehen, wenngleich mir das schmerzlich wäre. -

 


Täte er's doch, der Staat! Versuchte er's doch einmal! Sie würden kommen! In hellen Haufen würden sie kommen; denn es ist ein Drang zum Lichten und Schönen in den Menschen, ihr habt ihn nur immer erstickt und niedergetreten.
Mehr noch. Öffnet die Museen für das Volk! Man lächelt: »Sie sind ja geöffnet.« Nein! Sie sind geschlossen, wann das Volk für ihren Besuch frei ist. An den Sonntagnachmittagen, an den Feiertagen schließt ihr die künstlerischen Schatzkammern, also wollt ihr das Volk nicht in ihnen leiden. Ihr schließt es aus! - »Ach Gott, es versteht ja doch nichts davon.« - Lehrt es verstehen. Stellt eure Lehrer hin an die Tore der Museen und lasset sie das Volk truppweise umherführen, erklärend und deutend. Lehret das Volk sehen! Zeigt ihm die heitere Schönheit der griechischen Göttermenschen, lasset sein Auge sich bilden und freuen an diesen reinen Formen und deutet ihm die Gedanken, welche in diesen Gestalten verkörpert sind. In die Galerien laßt sie strömen. Fremde Länder und Städte, Pyramiden und Urwälder zeigt ihnen im Bilde. Was keiner von ihnen leiblich sehen wird, er sehe es mit den Augen des Künstlers und werde von dessen Phantasie, wie von einem andren Mantel Fausts, hin durch die Weite des Raumes getragen. Sein eigenes Leben, vom Künstler belauscht und nachgebildet, zeiget dem Volke, daß es lerne, sich selber verstehen, und daß es seinen Platz in der Welt einmal frei überschaue von künstlerischer Höhe.

Reclam, Berliner Moderne, Reclam, Stuttgart, 1987

 

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