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Tekst 3: Goethe, Der Sänger, 1783

»Was hör ich draußen vor dem Tor, 
Was auf der Brücke schallen?
Laß den Gesang vor unserm Ohr
Im Saale widerhallen!« 
Der König sprach's, der Page lief; 
Der Knabe kam, der König rief:
»Laßt mir herein den Alten!«

»Gegrüßet seid mir, edle Herrn,
Gegrüßt ihr, schöne Damen!
Welch reicher Himmel! Stern bei Stern!
Wer kennet ihre Namen?
Im Saal voll Pracht und Herrlichkeit
Schließt, Augen, euch; hier ist nicht Zeit,
Sich staunend zu ergetzen.«

Der Sänger drückt' die Augen ein 
Und schlug in vollen Tönen; 
Die Ritter schauten mutig drein 
Und in den Schoß die Schönen. 
Der König, dem das Lied gefiel, 
Ließ, ihn zu ehren für sein Spiel, 
Eine goldne Kette holen.

 

»Die goldne Kette gib mir nicht, 
Die Kette gib den Rittern, 
Vor deren kühnem Angesicht 
Der Feinde Lanzen splittern! 
Gib sie dem Kanzler, den du hast, 
Und laß ihn noch die goldne Last
Zu andern Lasten tragen!

Ich singe, wie der Vogel singt, 
Der in den Zweigen wohnet; 
Das Lied, das aus der Kehle dringt, 
Ist Lohn, der reichlich lohnet. 
Doch darf ich bitten, bitt ich eins: 
Laß mir den besten Recher Weins 
In purem Golde reichen!«

Er setzt ihn an, er trank ihn aus:
»O Trank voll süßer Labe!
O wohl dem hochbeglückten Haus,
Wo das ist kleine Gabe!
Ergeht's Euch wohl, so denkt an mich,
Und danket Gott so warm, als ich
Für diesen Trunk Euch danke.«

Johann Wolfgang von Goethe, Deutsche Gedichte, Echtemeyer/von Wiese, 1982

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