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Tyskland - fra Rødhætte til Rammstein

Tekst 17: Rosemarie Ackermann før Murens fald

Ehemalige Spitzensportlerin mit u.a. einer olympischen Goldmedaille und dem Weltrekord von 2,00 Metern im Hochsprung, jetzt Binnenhandelsökonom. Lebt in Cottbus.

Ich bin am 4. 4. 1952 geboren, komme aus einem kleinen Ort in Kreis Hoyerswerda, das ist ein Bergarbeiterort, dort bin ich zur Schule gegangen und habe ab der fünften Klasse, da war ich 11-12 Jahre, mit dem außer schulischen Sport angefangen. Ich habe in der Leichtathletik, Turnen, Handball betrieben aus dem Grund, weil es an unserer Schule damals dort diese Möglichkeiten bestanden haben; weil ja auch noch Hausaufgaben und andere Dinge auf mich zukamen, habe ich mich dann für die Leichtathletik entschieden, nicht weil ich dort die besten Voraussetzungen hatte, sondern weil wir einen engagierten Sportlehrer an unserer Schule hatten, und daß es mir auch dort am meisten Spaß gemacht hatte. Ich bin dann Anfang der 9. Klasse an die Kinder- und Jugendsportschule delegiert worden; wir haben ja bei uns in der DDR solche Sportschulen, Sportzentren in den Bezirken, wo man dann eine Aufnahmeprüfung zu bestehen hat, und dort dann hindelegiert wird; diese habe ich bestanden, obwohl ich Anfang der 9. Klasse nur 1,58 Meter groß war, also hatte ich keine Vorraussetzung für den Hochsprung, aber es hat Gott sei Dank mit 1,74 M mit allem Strecken gelangt; aber ich muß sagen, international war ich dann auch mit die kleinste im Hochsprungbereich, aber das konnte ich durch Kraft und auch durch gute Technik dann wieder ein bißchen wettmachen.

Ansonsten bin ich vom Beruf Binnenhandelsökonom, arbeite zur Zeit im Sportklub Cottbus in der Leitung, und qualifi-ziere mich weiter, möchte dann eine leitende Funktion einnehmen. Familiär bin ich verheiratet seit 1974, wir haben zwei Söhne, der Lars hat jetzt in der Schule angefangen, und 45  der kleine wird in den nächsten Tagen 5 Jahre alt, der Sven.

Kann man sich einfach eine Sportrichtung wünschen, obwohl man wie Sie die Voraussetzung nicht hat?
Nein, eigentlich nicht; ich hatte es ja schon erwähnt, wenn ich auf diese Kinder- und Jugendsportschule kommen möchte, dann muß ich bestimmte Anforderungen auch bringen, natürlich auch auf der schulischen Seite, weil ja bei uns das nicht getrennt wird, die schulische Ausbildung und Beruf und Sport ist eins bei uns. Ich hatte diese Leistungen gebracht, obwohl ich so klein war; das einzigste, was mir dort fehlte, war eben die Größe, und ich hatte das Glück gehabt, daß wenig Hochspringerinnen in unserem Bezirk waren, die besser waren als ich; also war ich immer mit unter den Medaillengewinnerinnen bei den Spartakiaden, bei den Wettbewerben, und man konnte aus dem Grund nicht an mir vorbeigehen, und hat gesagt, naja, wenn sie nicht mehr wächst, dann können wir sie vielleicht in eine andere Sportart umsetzen, dann wäre ich vielleicht Weitspringer- oder Sprinterin geworden. Und so hatte man sich dann noch nicht so ganz festgelegt; denn wenn ich nicht gewachsen wäre, hätte ich auf keinen Fall Hochspringerin werden können. Zumindest nicht diese Laufbahn dann nehmen können.

Wurde das gefördert oder war das eine völlig eigene Entscheidung?
Naja, ich hatte ja meine besten Leistungen im Hochsprung, obwohl ich auch im Sprint und im Weitsprung nicht schlecht war, und deswegen wollte ich eigentlich auch am Hochsprung bleiben, und dadurch, daß es dann doch geklappt hat, gab es auch keine Alternative für mich; ich hatte auch eine sehr, sehr allseitige Ausbildung; ich muß sagen, ich hätte auch Fünfkämpferin werden können, denn ich bin in meiner sportlichen Laufbahn knapp 6,50 Meter weitgesprungen, ich habe 14 Meter Kugel gestoßen, und die Hürden bin ich auch ganz gut gelaufen.
Meine Frage bezog sich eher auf die Zeit davor: Wie werden solche Spitzensportler ausgewählt?
Ja, bei uns gibt es da ein Sichtungssystem. Wir haben ja in der Schule schon diesen außerschulischen Sport; die Trainer, die in den Sportklubs arbeiten, die gucken sich bei den ganzen Wettkämpfen diese Athleten an, die besten werden dann zu einem Sichtungswettkampf delegiert und dort werden sie dann von den Trainern angesehen, was sie für bestimmte Leistungen vollbringen im Sprint, und im Hochsprung und vielen Dingen, die man dort zu absolvieren hat, und dazu kommt natürlich auch die gesundheitliche Untersuchung, ein Sportler muß gesund sein; und die schulische Ausbildung, alles das bildet eine Einheit, und wenn diese Forderungen alle stimmen, dann wird man aufgenommen an die Kinder- und Jugendsportschule. Also dort muß eine gute Zusammenarbeit zwischen den Trainern sein, um dann die Talente zu entdecken, die wir haben. Wir haben nicht so viel Menschenpotential, und dann müssen wir mit den Talenten haushalten, nicht. Das ist ja sicher auch ein Rezept, warum der DDR-Sport so gut ist.

Das heißt also: der Lehrer macht zunächst mal darauf aufmerksam, daß also vielleicht hier was zu erreichen ist, und dann ...
Naja, die Lehrer geben den Sportunterricht, das andere ist außerschulischer Sport, wie wir sagen, Trainingszentrum oder Sportgemeinschaften, das wird außerhalb des Unterrichts gemacht am Nachmittag, und jeder Schüler kann sich dort anmelden; für ein paar Groschen kann er dort daran teilnehmen, und kriegt dort seine sportliche Ausbildung, und dann werden eben die Besten zu den Wettkämpfen geschickt; es geht dann auf der Schulebene los, dann gibt es Kreismeisterschaften, Bezirk und weiter bis zu DDR-Meisterschaften; auf diesem Weg suchen sich dann die Trainer in den Bezirken ihre Talente raus, die diese Leistungsanforderung bringen, die sie brauchen für ihre Sportarten.  ()

Offenbar ist Chemie auch so ein Mitteil?
Tja, es scheint so, hier nach Seoul und auch im Vorfeld; der Athlet möchte das Höchste bringen; dann dieser Druck auch von allen Seiten, das Höchste zu leisten. Einige Athleten kommen auch dahin, daß sie solche Mittel nehmen und dann wahrscheinlich keinen Ausweg mehr sehen, sich das durch das normale Mittel anzutrainieren. Da wird man sicher dann auch eine Entscheidung treffen müssen international, dort entgegenzuwirken; denn es ist ja auch ungerecht allen anderen gegenüber dort, denn sie sollen ja mit gleichen Bedingungen antreten. Na, das ist schon uralt, über Doping sprachen wir ja schon vor zwanzig und mehr Jahren, bloß hat sich das eben durch diesen Leistungsdruck verschärft, daß das jetzt wieder so aktuell geworden ist.

Wo geht dann die Grenze zwischen Doping und, sagen wir, normal gesteuerte Vitamineinnahme?
Für mich sind Doping irgendwelche Medikamente, die irgendwelche stimulierende Wirkung, daß man eine höhere Leistung vollbringt. Jeder Mensch muß essen; wie er ißt, das ist sein Brot, dort muß man dann schon wirklich unterscheiden und sagen, also was ist nun wirklich Doping und was nicht. Und das müßte man sicher erst dann richtig festlegen; es gibt ja so ein schlaues Buch, wo auch erklärt wird, was Doping ist; es gibt Nasentropfen, hat man uns erklärt, was dann irgendwie auch als Doping nachweisbar ist oder ... also muß es dort auch in der Richtung eine Aufklärung der Sportler generell, und das sollte sich ebent jeder Sportler, der das eben nicht einnimmt, sich da auch absichern, da nicht durch irgendwelche anderen Dinge dort konfrontiert zu werden.

Sind diese Mittel hier in der DDR verboten oder finden sie Anwendung?
Da habe ich überhaupt keinen Einblick, muß ich ganz ehrlich sagen; aber bei uns ist das harte Gesetz, wer eben solche Einnahmen macht, der wird sofort ausgeschlossen, das ist bei uns von Anfang an, und das weiß jeder Sportler; und ich glaube nicht, daß einer die gesamte Karriere aufs Spiel setzen würde deshalb.
Dem kann ich dann entnehmen, daß Sie das nie gemacht haben!
Nee! Zu unserer Zeit war es nicht so aktuell, wie jetzt durch Seoul, aber durch die Profisportler hörte man ständig, dort wurde Doping, dort nicht, und ich mußte zur Dopingkontrolle; an und für sich sagt man, das wird ausgelost, aber daß ich 

bei jedem großen Wettkampf gezogen wurde, das konnte ich nicht mehr mit Loskriegen bezeichnen; ich konnte mich bald freiwillig stellen. Das war für mich dann auch eine Garantie, meine Leistung war real; damit hatte ich eigentlich auch die Sicherheit zu sagen, ja, es ist alles in Ordnung.
Was fühlt man als Siegerin bei olympischen Spielen und anderen Wettspielen? Was fühlten Sie als Siegerin?
Ja, ich glaube, daß das eigentlich der glücklichste Augenblick eines Sportlers überhaupt ist; dort kommt eigentlich alles das zusammen, es sind ja bloß einige Minuten, die man auf dem Siegerpodest steht, aber dort läuft so ein Film ab, emotional ist man dann so angeregt, so bewegt, man ist, glaube ich, der glücklichste Mensch auf der Welt. Man denkt an Zuhause, man denkt, du hast es geschafft, dein Traum ist in Erfüllung gegangen, und das ist dann wieder auch die Kraft, die man braucht, das Neue anzugehen. Und es ist schon ein schönes Gefühl, wenn man da oben steht und die Nationalhymne wird gespielt, Flagge gehißt und man denkt an Zuhause, denn ich bin mir auch bewußt, daß ich als Sportler, wenn ich international auftrete, nicht nur für mich springe, sondern es auch für meine Heimat tue, und dafür trainiere ich auch; dafür bin ich DDR-Sportler. Denn er hat mir die Möglichkeit gegeben, mich zu entfalten und nun möchte ich ihm auch ein klein bißchen zurückzahlen, wie ich so schön sage, mit meiner Leistung oder mit meinen Ergebnissen.

Wird das nicht als Druck empfunden, daß Sie auch das Land vertreten?
Nee. Denn im Prinzip mache ich es automatisch mit sozusagen für den Staat oder für die Republik oder für das Land, denn wenn ich den Trainingsanzug anziehe, werde ich auch angesehen als Sportler der DDR und nicht als Sportlerin Meier, Müller, Schulz. Darüber muß man sich schon bewußt sein. Das war für mich kein Druck, im Gegenteil.

Früher hat die DDR ja gesagt: Wir verwenden den Sport auch als Mittel der Anerkennung!
Ja, sicher. Hab' ich meinen Beitrag auch, denn zu meiner Zeit, da haben wir ja noch gekämpft, wirklich, um die Anerkennung des Sports international; 1972 in München sind wir erstmalig mit einer DDR-Mannschaft an den Start gegangen, ich hatte auch viel Diskriminierung über mich ergehen lassen müssen, und das ist nicht schön, wenn sie dort Sieger werden, und bei allen wird die Nationalhymne gespielt und sie kriegen plötzlich eine Fanfare, die gar nicht dahingehört; und ich finde, für den Sportler ist das absolut erniedrigend. Das und viele andere Dinge mehr müßte man dann doch in den ersten Jahren hinnehmen, aber, wie gesagt, wir haben es durch die Leistungen geschafft, uns dort auch Respekt international zu verschaffen und ich bin auch stolz, daß ich meinen Beitrag dazu leisten konnte.

Wie lange haben Sie dann als Spitzensportlerin mitmachen können?
14 Jahre insgesamt, Leistungssport jetzt selbst, ohne den Schulsport. Davon war ich knapp 10 Jahre in der internationalen Spitze, das heißt, immer mindestens um Platz eins bis drei oder sechs mitgekämpft.

Fließt vom Ansehen irgendwie Geld oder sonstige materielle Vorteile?
Nee. Sie sehen, wir haben eine normale Wohnung, ich bin ein normaler Bürger wie jeder andere genauso, und möchte das auch gar nicht anders haben; das war ein Teil meines Lebens, der ist abgeschlossen worden, jetzt stehe ich meinen Mann in meinem Beruf. Sicher habe ich meinen Namen und ich muß auch damit leben, bekannt zu sein, und diese Verpflichtung immer, wenn ich irgendwo hingehe, daß die Leute mich erkennen, auch heute noch nach den Jahren, daß man da als Persönlichkeit oder als Sportler immer noch bekannt ist, aber nicht finanziell, wie Sie das jetzt meinen. Das ist nicht so bei uns.

Ich habe ja einen Beruf erlernt gehabt, nach der zehnten Klasse, Fachverkäuferfrau für Textil, habe dann in die Verwaltung gewechselt, habe beim Konsum-Bezirksverband hier in Cottbus angefangen und bin von dort delegiert worden zürn Studium und habe sozusagen dann als Fernstudentin mein Gehalt weitergekriegt. Ich kriege das Gehalt auch weiter, wenn ich z.B. jetzt an dem Tag fehle oder so. Also das ist nicht so, daß ich dafür bestraft werde, denn dann würde der Athlet das nicht machen. Das garantiert der Staat, daß in seiner sportlichen Tätigkeit keine Nachteile erwachsen. (..)

Sie haben gesagt, Sie waren gesellschaftlich auch aktiv - wie?
Ich bin Mitglied des Nationalrats der Nationalen Front der DDR; dann bin ich Mitglied der Liga der Völkerfreundschaft, mache auch noch einige Reisen mit, zwei-drei mal im Jahr ins Ausland, Friedensbewegung usw., war viel in der BRD, Italien mit »Delegationen der FDJ unterwegs, um dort auch den Sport zu repräsentieren und unsere Aufgaben zu bewältigen; dann bin ich im Sportklub im Klubvorstand drin; dann bin ich auch hier im Bezirksausschuß Nationalrat der Nationalen Front, undundund, da sind viele Aufgaben. Und was auch für mich wichtig ist über die vielen Jahre: die Foren durchzuführen in Betrieben und in den Schulen, wo man angefordert wird; das macht mir unheimlich Freude. Ich kann eigentlich die Anforderungen alle gar nicht bewältigen; im Moment sind die aktiven Sportler natürlich gefragter, aber die haben keine Zeit, also greift man dann doch wieder auf uns zurück. Ich habe mich sehr geirrt, daß ich gesagt habe, naja, als aktiver Sportler hast du keine Freizeit gehabt, aber wenn du aufhörst, das wird dann ganz anders. Manchmal möchte ich auch anonym bleiben; man kann nicht mal weggehen und tanzen, ebent auch mit allen, und Fasching mit auf den Tischen tanzen, also das kann man dann eben auch schlecht. Beim Sport sind wir wohl zum Ende gekommen. Darf ich so generell fragen, was Sie in der DDR gut finden, und was eher ärgerlich ist?

Oh Gott, ärgerlich? was finde ich gut? Erst mal ist es meine Heimat, ich möchte keine andere haben, ich habe mich hier entwickelt. Was ich heute geworden bin, hat er mir die Möglichkeit dazu gegeben; ich muß dazu sagen, daß ich aus einer Arbeiterfamilie komme; mein Vater ist nach dem Krieg gestorben, meine Mutter war dann mit vier Kindern ganz alleine, und sie hat es sehr sehr schwer gehabt, und ich sollte schon mal in der siebenten Klasse an die Kinder- und Jugendsportschule gehen, und da hat sie 'nein' gesagt, weil sie es sich finanziell echt nicht leisten konnte. In der neunten Klasse habe ich sie dann gebettelt und gemacht, und sie hat dann 'ja' gesagt, weil ich auch jegliche Unterstützung bekommen habe, also ich habe kein Internatsgeld bezahlt, ich habe die Fahrkosten zurückerstattet bekommen, jeden Trainingsanzug, Schuhe, das Material wurde mir alles dort auch gestellt. Also er hat mir eigentlich diese Möglichkeit gegeben, und dafür bin ich ihm sehr, sehr dankbar. Deswegen bin ich so glücklich, daß ich es geschafft habe, international mich zu be-währen, dort Medaillen zu erreichen, und damit ein kleines Dankeschön zurückgeben konnte. Das war eigentlich noch als Erklärung vielleicht besser zu verstehen, warum ich das auch vorhin so betont habe. Was gefällt mir nicht? Daß ich manchmal, wenn ich einkaufen gehe, ich schimpfe, weil bestimmte Dinge gerade mal nicht da sind oder ich mich dazu anstellen muß, aber wir sind alle dazu da, das zu verändern; und wenn jeder seinen Beitrag dazu leistet und mehr leisten würde, dann würden wir das auch schneller beenden. Ansonsten fühle ich mich wohl. Ich hätte ja auch die Möglichkeit, also, ich bin auch »abgeworben worden, aber für mich bestand in der Richtung nicht im entferntesten dieser Gedanke, woanders hinzugehen, sondern hier ist meine Heimat, hier ist meine Mutter, meine Familie, jetzt habe ich mir selbst eine Familie aufgebaut und möchte meinen Beitrag dazu leisten und zu stärken unsere Republik.
Sind Sie parteilich organisiert?
Ja, ich bin in der SED seit 1971. Das gehörte für mich als Konsequenz dazu.

Kim Vilstrup, Im Gespräch mit der DDR, 1990.

 

 

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